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Meine Haltung

Neben biologischen Faktoren, die auf Grund unseres Geschlechts Einfluss auf unsere körperliche und psychische Entwicklung nehmen (z.B. Sozialverhalten oder Sexualität), durchlebt jeder Mensch einen Sozialisationsprozess, bei dem er/sie mehr oder weniger in eine Geschlechtsschablone hinein geprägt, erzogen, sozialisiert wird. Anders gesagt: Nach der Bestimmung des biologischen Geschlechts – meist durch die Einteilung Penis = Junge, Vulva = Mädchen – wird das Kind auf Grund seiner Zuschreibung als Junge oder Mädchen geschlechtsspezifisch geprägt und erzogen. Dies fängt bei blauen T-Shirts für Jungen, rosa T-Shirts für Mädchen an, geht über den Bagger für ihn, die Barbie für sie, über geschlechtsspezifische Hobbies (Fußballverein vs. Ballettschule) hin zu ungeschriebenen Gesetzen was ein Junge/ein Mädchen FÜHLEN und AUSDRÜCKEN darf und was nicht. Sie erleben die Ergebnisse geschlechtsspezifischer Sozialisationsprozesse tagtäglich. Achten Sie einmal darauf, wer beim gemeinsamen Kaffeetrinken den Kuchen backt, wer die Kohle für das Grillen anfeuert, wen Sie erwarten, wenn Sie ein Klempnerunternehmen beauftragen ihren Abfluss frei zu machen, wer Elternzeit nimmt, wenn ein Kind zur Welt kommt, wer den Arzttermin für das Kind vereinbart, wer im Kindergarten arbeitet, wer über seine Bedürfnisse spricht und wer eher Probleme löst?

Wo liegt das Problem?

Man könnte ja meinen, dass ein geschlechtsspezifischer Sozialisationsprozess dem Menschen dabei hilft, sich zu verorten, Orientierung zu finden und seine vermeintlich aus seinem Geschlecht resultierende und dementsprechend für ihn vorgesehene Rolle in der gesellschaftlichen Ordnung zu finden. Leider führt die binäre Einteilung der Geschlechter und vor allem die ausgestanzte Rollenzuschreibung (Was darf/soll/kann ein Junge/Mann, ein Mädchen/eine Frau tun, denken, fühlen) zu prototypischen Rollenmustern. Diese übernehmen wir meistens unbewusst durch Erziehung, Prägung, den Vater, die Mutter, Geschwister, Erziehungsbeauftragte, den Klassenverband, durch Freundeskreise (Peergroup), durch Film, Fernsehen, soziale Medien – also durch Wirkfaktoren in Mikro- und Makrokosmen. In Bezug auf die Sozialisation von Männern, mithin die Rolle(n), die Männer einnehmen, wird auch vom Konzept der „traditionellen Männlichkeit“ gesprochen.

 

Traditionelle Männlichkeit:

Unter dem Rollenkonzept traditioneller Männlichkeit versteht man den Mann als Fels in der Brandung, als Versorger, als Problemlöser, als hart arbeitend, wenig Gefühle zeigend.

 

"Ein „richtiger Mann“ erfüllt Attribute der Stärke, Rationalität, Dominanz und ist ein Beschützer und Ernährer“ (Süfke 2016, Vgl. S.216).

 

Dabei ist traditionelle Männlichkeit kein fest geschriebenes Programm, sondern wird in unterschiedlichsten Facetten und Spielformen gelebt und weitergegeben.

 

Die Frauenbewegung hat vor einigen Jahrzehnten angefangen, sich gegen strukturelle Unterdrückung und Benachteiligung stark zu machen. Frauen haben angefangen, die als „natürlich“ gegebene Ordnung der Geschlechterrollen zu hinterfragen und dagegen anzugehen. Der Grund,  weshalb sie das taten und tun liegt auf der Hand: Durch die stereotypen Geschlechterrollen (welche den Mann in eine machtvolle und dominierende Position gebracht haben, siehe Patriarchat), entstand und entsteht auf unterschiedlichen Ebenen immenses Leid für Frauen (finanzielle Benachteiligung, Altersarmut, sexuelle Übergriffe, etc). Die Frauenbewegung hat unter anderem bewirkt, dass das Konzept der „traditionellen Männlichkeit“ immer mehr in Frage gestellt wird. Was für Männer teilweise verunsichernd, unangenehm, ja teilweise beängstigend wirkt, ist gleichzeitig eine großartige Chance, sich von dem Konzept der noch vorherrschenden „traditionellen Männlichkeit“ zu lösen.

Wenn Sie ein Mann sind, bitte ich Sie an dieser Stelle kurz in sich hinein zu fühlen oder einfach zu überlegen, wie es Ihnen auf ihrem Lebensweg als Mann ergangen ist. Wenn man mit Männern über sich, ihr Leben und ihr Befinden auf ehrliche und vertrauensvolle Weise ins Gespräch kommt, dann erfährt man neben Geschichten von Erfolgen, Durchsetzungskraft, Mut, Zusammenhalt, Freude und Effizienzerleben auch häufig Geschichten über Einsamkeit, Hilflosigkeit, Wut, Überforderung, dem Gefühl nicht genug zu sein, von der Schwierigkeiten Nähe zuzulassen, von Gewalterfahrungen und ständigem Druck. Mit diesen Erlebnissen, Lebensphasen und Zuständen fühlen sich Männer häufig alleine und hilflos mit der eigenen Hilflosigkeit, sie flüchten sich in Härte gegenüber sich selber, in eine Fokussierung auf Effizienzerleben (Arbeit, Ergebnisse) oder in Alkohol. Die Folgen: Männer sterben früher als Frauen, begehen häufiger Suizid, sind häufiger von Abhängigkeitserkrankungen betroffen, erleben Erschöpfung, (männliche) Depression, Vereinsamung, innere Leere. Anders ausgedrückt: Die geschlechtsspezifischen Sozialisationsprozesse bedeuten nicht nur immenses Leid von Frauen – sie bedeuten auch immenses Leid für Männer selbst. Deshalb bedeutet nach meinem Verständnis die Arbeit an diesen Themen eine Verbesserung für Männer UND Frauen.

In meiner Praxis werden Räume für Männer geschaffen, um sich über diese Themen auszutauschen, Ideen zu entwickeln, Leid zu mindern, Mut zu schöpfen und neue, zu sich selber gut passende und daher gesunde Wege zu gehen. In meiner Praxis werden Männer nicht ermutigt, sich gegen den vermeintlichen Verlust ihrer „wahren Männlichkeit“ zu wehren und zurück zu finden zu ihrer „urmännlichen Stärke“. Auch werden Männer nicht als toxische Rüpel gescholten und dazu aufgefordert, alles per se „männliche“ abzulegen. Stattdessen sollen Männer dazu befähigt werden, sich ihres Prägungsprozesses als Mann bewusst zu werden. Sie sollen das dadurch entstandene Leid in einen sinnhaften Zusammenhang bringen. Sie sollen ermutigt werden, die eigenen Bedürfnisse besser wahrnehmen und ausdrücken zu können.

In meiner Praxis sind alle Geschlechter (männlich, weiblich, trans, divers) sowie alle sexuellen Orientierungen ausdrücklich willkommen. Eine Begleitung von Themen der Geschlechtsidentität und queeren Thematiken kann gerne in die Behandlung einbezogen werden. Sie müssen gleichzeitig wissen, dass ich als Mann und Mensch mit weißer Hautfarbe sozialisiert bin und zwar ein großes Interesse an diesen Themen habe, diesbezüglich jedoch keine Expertise für die Begleitung und Behandlung besitze.

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